Wieso ich immer wieder zurückkehre – Stardew Valleys nostalgische Sogwirkung

Als Stardew Valley im Frühjahr 2016 erschien, erweckte es sofort mein Interesse. Mir gefiel die Mischung aus Harvest Moon, eine Reihe, die ich schon immer nachholen wollte, und Animal Crossing, eine, bei der ich immer wieder schöne Erinnerungen an die Stunden mit Wild World auf dem DS habe. Nun endlich ein Farming-Life Simulator auch auf dem PC! In Stardew Valley übernehmt ihr die verwahrloste Farm eures verstorbenen Großvaters und peppelt diese mit viel Fleiß wieder auf. Während des Spielverlaufs könnt ihr dabei nicht nur verschiedenste Dinge anbauen, sondern auch Tiere auf eurer Farm haben, euch mit den Menschen aus dem angrenzenden Dorf Pelican Town bekannt machen, heiraten, in dunklen Höhlen kämpfen sowie die Geheimnisse des Tals ergründen. Stardew Valley war für mich wie ein riesiges zusammengeschnürtes Paket aus vielen unterschiedlichen Mechaniken, die einem schier endlos erscheinende Möglichkeiten boten.

Heute, über 50 Spielstunden nach dem Kauf im Wintersale des Erscheiungsjahres habe ich eigentlich alles erreicht, was ich gerne im digitalen Leben erreichen wollte: Das Haus auf der Farm ist komplett ausgebaut; Ich habe von jeder Tierart mindestens eine auf dem Hof; Das Community Center, bei dem man Ernten abgibt, um es weiter auszubauen, ist fast vollständig renoviert (mir fehlen nur noch die Trüffel, dafür muss ich bis zum Frühling warten!); Ich habe alle Tools mindestens auf die Goldstufe geupgraded; Ich bin ein verheirateter, verantwortungsbewusster Vater geworden und habe eine kurze Anglerkarriere hinter mir. An diesem Punkt eines Spiels, verliert man gewöhnlicherweise oft das Interesse. Der Progression Cycle, der Stardew Valley so antreibt, ist vorbei: Ursprünglich wollte ich Melonen anbauen, um diese dann zu verkaufen, um mir von dem Erlös einen Stall zu kaufen, um mir Tiere anzulegen, um mehr Geld zu machen, um meine Farm zu erweitern und so weiter. Da ich aber nun quasi am Ende dieser Kette angekommen bin, setzt das Spiel mir kein wirkliches Ziel mehr vor die Augen. Man könnte nun aufhören und sagen „Okay, das hat Spaß gemacht, ich habe mein Geld gerne in diese 50 Stunden Spaß gesteckt.“. Doch ehrlich gesagt kann ich das einfach nicht – denn ich kehre immer wieder zurück. Da, wo mich Animal Crossing früher ernüchtert hat, nimmt mich Stardew Valley an einigen Stellen wieder mit. Animal Crossing hatte in meinen Augen – gerade durch den immer bleibenden Wechsel der Einwohner – kein Gefühl von einem tatsächlichen Ort geweckt. Die Charaktere wirken durch diese Handhabung der Welt automatisch austauschbar. Wieso sollte ich Sympathien für jemandem entwickeln, wenn ich weiß, dass in einigen Tagen, die Person (oder das Tier) mich sowieso wieder verlässt? Stardew Valley hingegen bietet mir einen limitierten Cast an Charakteren, die im Dorf leben und alle unterschiedliche Hintergründe haben sowie unterschiedliche Leben führen. Nach meiner beachtlichen Spielzeit nennt meine Spielfigur einige dieser Charaktere seine Freunde. Der alte Bürgermeister Lewis, der jede Woche in den Läden des Dorfs Steuern einsammeln geht und eventuell eine geheime Beziehung mit Marie führt(?). Die außerhalb lebende Leah, die ein wenig Ermutigung dazu brauch, ihre Kunstwerke auszustellen. Oder die bücherverliebte Penny, die zusammen mit ihrer von Alkoholsucht geplagten Mutter in einem Wohnwagen lebt. Durch viele Cutscenes innerhalb der Häuser oder durch die monatlich stattfindenden Dorffestivals werden diese Charaktere weiter mit Leben gefüllt. Viele Einwohner wachsen einem ans Herz, sodass immer ein gewisses Heimatgefühl aufkommt, wenn ich mal wieder Pelican Town betrete.

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Ein weiterer Aspekt wäre der Freiraum, der dem Spieler gegeben wird, um sich selbst zu entfalten. In Wild World beschränkt sich mein Gestaltungsfreiraum lediglich auf mein Zuhause und mein Aussehen. Ich kann das Haus, das mir gehört, so einrichten wie es mir beliebt sowie eigene Klamotten designen. Meine Farm in Stardew Valley hingegen ist ein großes Grundstück, welches ich so umgestalten kann, wie ich es am liebsten hätte. Wenn ich möchte, kann ich Tiere halten, ihnen allen Namen geben; mein Haus ausbauen und ebenfalls umgestalten und jeden Tag meine Farm etwas erweitern.
Die musikalische Untermalung ist in meinen Augen ebenfalls ein großer Pluspunkt von Stardew Valley. Auch wenn sich der Soundtrack zu Animal Crossing eigentlich schon einer gewissen Beliebtheit erfreut, muss ich sagen, hat er bei mir keinen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Während mir keine Melodie aus dem DS Titel so wirklich einfallen will, habe ich schon wieder direkt Stardew Valleys Main Theme – was ihr hoffentlich gerade hört – im Kopf. Videospielmusik besitzt die große Kraft der Assoziation: Ich erinnere mich sofort an das Spielgefühl und die epischen Momente aus Castlevania: Lords of Shadow, wenn ich den fantastischen Soundtrack höre. Oder ich fühle mich gleich wieder in die dystopische Welt von Half-Life 2 zurückversetzt, wenn ich meine Ohren mit Traige At Dawn beglücke (wie die tollen Menschen von VSG neulich beschrieben hatten). Genau so schafft es Stardew Valley in mir die Gefühle zu erwecken, die ich mit dem Spiel verbinde. Es entspannt mich und bietet mir eine Auszeit an einem fröhlichen, wunderschönen Ort.

All diese Aspekte tragen zu der Sogwirkung bei, die Stardew Valley auf mich ausübt. Sie tragen dazu bei, dass ich, wenn ich gerade nicht spiele, an den Soundtrack denken muss und mir sofort wieder die Erinnerungen an die Zeit, die ich in diesem Mikrokosmos verbracht habe, vor dem inneren Auge aufpoppen. Ich schwelge in der Nostalgie an den Anfang des Spiels, als noch alles, was es zu entdecken gab vor mir lag. Aber auch die bloße Erinnerung an den digitalen Ort, lässt Freude aufkommen. Ich möchte sofort wieder die Atmosphäre des kleinen Dorfes aufsaugen, mit den Dorfbewohnern reden und mich einfach ein bisschen um meine Farm kümmern, auch wenn ich damit kein wirkliches Ziel mehr verfolge. Und ganz nebenbei, nur um das noch einmal zu erwähnen: Das alles wurde hauptsächlich von einer einzelnen Person (Eric Barone) erreicht.
Gerade jetzt habe ich schon wieder extrem Lust bekommen, meinen nächsten Abstecher nach Pelican Town zu machen.

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Autor: Amon

Versucht des Öfteren, etwas Fundiertes über Videospiele zu sagen und zu schreiben. Meistens - aber nicht ausschließlich - auf seinem eigenen Blog. @AsonDT auf Twitter

2 Kommentare zu „Wieso ich immer wieder zurückkehre – Stardew Valleys nostalgische Sogwirkung“

  1. Vielen Dank für Deinen schönen Beitrag!

    Ich bin ebenfalls über Animal Crossing Wild World zu Stardew Valley gekommen und habe mich sofort in das Spiel verliebt. Für mich steht es exemplarisch für Entschleunigung, Liebe zum Detail und ein wohltuendes Antikonzept in einer Welt, die von Gewalt beherrscht wird. Deshalb habe ich es damals (https://www.gamer83.de/20-gaming-blogger-verraten-ihre-geheimtipps-fuer-2017/) auch für gamer83 als mein Spiel des Jahres 2016 gekürt.

    „Pflanzt mehr Bäume da draußen!“ ist für mich wirklich als Metapher zu verstehen, sich mit mehr Liebe um die Welt zu kümmern und dem Aufbau und die Pflege behutsam zu gestalten. Ich glaube darin liegt auch das Geheimnis von Stardew Valley: die SpielerINNEN erkennen die Bedeutung dieses Konzepts und wollen ein Teil davon sein. Na ja, zumindest ist das meine Theorie 😉

    Einen ganz herzlichen Dank auch für Deine Erwähnung im Beitrag und Deinen schönen Blog im Allgemeinen. Man spürt Deine Liebe zu den Spielen in jedem Wort.

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